Urlaubsregen

Es regnet in Strömen.
Gut durchnässt hasten wir ins nächstbeste, aber wenigstens trockene Restaurant. Kaum zweihundert Meter sind wir auf unserem, gerade neu gemieteten Roller gefahren und dann dieser Wolkenbruch. Im Urlaub nehmen wir uns oft einen Motorroller und obwohl ich vom Motorradfahren wenig Ahnung habe, setzt sich Kornelia stets mutig auf den Sozius legt die Arme um mich und wärmt meinen Bauch im Fahrtwind. Irgendwie ist das doch Cabrio pur, denken wir. Nur heute eben nicht. Wer konnte das ahnen? Seit Wochen war in Deutschland schlechtes Wetter. Die Eisheiligen gingen nahtlos in die Schafskälte über. Wir freuten uns auf unseren Urlaub im Süden am warmen Meer. –
Draußen regnet es immer stärker. Kühler, nasser Nebel weht herein. Irgendwie müssen uns die eisheiligen Schafe hierher gefolgt sein. Durch das, fast vollständig mit einem altertümlichen Grammophon verstellte Fenster sehe ich Sturzbäche draußen von der Markise strömen. Besonders wenn der Wind darunter fährt. Durch den Wasservorhang sieht man „..OUVENIER SILVER IKONEN “ Das „S“ wird von der, vom Wind hochgeschlagenen Seitenplane verdeckt. Wir sind in Athos, also auf dem letzten Finger von Chalkidiki.
Auf der Speisekarte stehen viele Gerichte in griechisch einige auch in englisch. Gyros können wir unschwer entziffern.
Eine hübsche, dunkelgelockte Dame kommt auf uns zu: „Woher kommen Sie?“. Wir antworten von „Eagles Palace“. „Dachte ich mir“ meint sie. Sie hat uns gestern abend an der Rezeption empfangen. Daher kam sie uns bekannt vor. Wir dachten schon die Griechinnen wären alle hier so hübsch. Sie war das jedenfalls die gestern bei unserer Ankunft meinte: „Alle unsere Zimmer sind schön“. Ko hatte nämlich den Bungalow 5 mit geradem Meerblick für uns zugesagt bekommen und jetzt sollten wir in Nr. 6 bei dem das Meer sich nur durch etwelche Büsche verdeckt und über einige Hausdächer ausmachen ließ? Nach drei Tagen sind wir dann ja auch tatsächlich nach Nr. 5 gewechselt und hatten endlich unsere tollen Meerblick. – Jedenfalls ist sie hier die Wirtin, bringt uns warmen Tee und Ouzo und empfiehlt uns den Tagesfisch, der dann auch wirklich sehr gut war.
Es regnet noch immer.
Schwere Lastwagen fahren vorbei, einige haushoch mit Holzstämmen beladen. Und Tanklaster und schwere Baufahrzeuge und jede Menge Personenautos. Wo kommen die alle her? Wir dachten hier in Ouranopoulis hört die Strasse auf. Hier beginnt doch der Heilige Berg Athos, autonom und autofrei und nur Männern zugänglich. Es regnet. „Katharina, ne Katharina“ schluchzt ein griechischer Bariton. Noch dreimal werden wir dies Endlosband heute hören.
Und der Regen fällt und fällt.
Die fast noch hübschere Tochter bringt uns das Essen, freundlich zu uns, mürrisch zur Mutter. „Sie ist 12 “ sagt die Wirtin und „ich habe noch eine mit 17″. Tage später sahen wir die Tochter im Dorf mit einem Mädchen das die Schwester hätte sein können, sah ihr ähnlich, war aber nicht so hübsch. Aber vielleicht war’s auch gar nicht die Schwester.
Es gießt und gießt.
Später erfahren wir, dass die Strasse bzw. Piste nach AGION OROS noch über zwei Kilometer über das Dorf hinausführt und dass es hier im Ort eine Autofähre gibt. Daher die Laster. Und dass die Fähre die einzige Möglichkeit ist um in die Mönchsrepublik Athos zu gelangen.
Es regnet weiter.
Ein, in edles, schwarzes Tuch gewandeter Mönch geht vorbei, elegant mit seinem randlosen, schwarzen Hut, seinem großen Schirm und dem Diplomatenköfferchen. Wieder fahren Lastwagen vorbei.
Es regnet als sollte die Sintflut beginnen.
Wieder gehen zwei Mönche vorbei. Sie schleppen einen großen Korb. Jhre Kutten sehen grau und schäbig aus. Sie ducken sich unter dem Regen, hasten vorbei. Auch bei den Brüdern gibt’s also solche und solche. Wir bestellen noch zwei griechische Kaffee. „Das sind original griechische“ meint die hübsche Wirtin „der Kaffee und der Zucker werden mitgekocht!“ Wir kennen das und nicken.
Es regnet.
In unserem Superhotel können sie keinen richtigen Original Griechischen Kaffee machen stellen wir einige Tage später fest. Mit einem Espressogerät geht das halt nicht.
Es regnet noch immer.
Die hübsche Wirtin dreht unsere Tassen herum um Kornelia aus dem Kaffeesatz zu lesen. Ein eigenartiges Wellenmuster ist entstanden. „Eigentlich verbietet das meine Religion“ sagt sie „Aber das hier ist viel älter als das Christentum“. Und an den abfliesenden, braunen Streifen erkennt sie, dass alles Böse und Unangenehme jetzt wegfließt und sie prophezeit Ko Glück und Freude und in den nächsten Tagen viele Geschenke obwohl sie doch gar nicht wissen kann dass Kornelia in ein paar Tagen Geburtstag hat. Mir hat sie keine Geschenke versprochen. Schade! Von Gesundheit und langem Leben hat sie auch nichts gesagt. Sie muss es in der Eile glatt vergessen haben.
Gleich neben der Tür ist in einem halbhohen Schrank der Zapfhahn für den Retsina, der dort in die farbigen Aluminiumbecher abgefüllt wird, Mini, Viertel- und Halbliter. Als wir zwei Tage später wieder vorbeikommen probieren wir diesen leicht geharzten milden Weißwein. Es war der Tag an dem wir mittags ganz zufällig gleich vorn am ersten Tisch unsere Freunde Gerd und Rosi vom heimischen Sportverein sitzen sahen. Sie waren mit der Fähre von Sani auf Kassandra gekommen und nur für zwei Stunden hier im Ort. Zufall !-
Noch immer regnet es und irgendwann müssen wir doch mal wieder zu unserem Hotel zurück. Im Geschäft auf der anderen Straßenseite haben sie, die Situation nutzend, soeben Regenmäntel in die Auslage gehängt. Wir zahlen rasch und spurten rüber, kaufen zwei lange Gummimäntel. „Nein Hosen brauchen wir keine!“ Gleich die Kapuze auf und noch den Helm dazu und rasch zum Roller, – drauf und weg. Natürlich sind die Mäntel nicht weit genug, lassen sich vorn nicht schließen, klaffen weit auf beim Rittlingssitzen.
Es regnet immer stärker.
Kornelia klammert sich an mich, Schutz vor Wind und Regen suchend und wird genauso nass wie ich, vielleicht noch mehr. Große Pfützen haben sich gebildet. Jetzt nur nicht zu schnell durch zu tiefes Wasser. Autos spritzen vorbei und wir werden ab der Gürtellinie nass und nässer.
Im Hotel geht’s gleich in die, leider gar nicht so richtig warme und eigentlich für zwei viel zu kleine Wanne. Erstaunlich wie wenig Wasser wir benötigten. Wir schalten die Klimaanlage auf „heizen“ und erkennen klar: unser erster Urlaubstag ist leider ins Wasser gefallen.
Für morgen früh haben wir uns ein Auto bestellt, geschlossen, kein Kabriolett.
Die hübsche Wirtin sehen wir täglich an der Rezeption, winken ihr zu und lachen.

Juli 2006