Draußen tobt das Meer. Riesige Brecher stehen vor dem Wind der immer stärker zum Sturm wird. Heute konnte er sowieso nicht hinausfahren der junge Fischer mit seinem kleinen Boot. Nichts gab es heute zu verdienen. Der Sturm ist zu stark und der vor Wochen gekaufte, gebrauchte Bootsmotor ist noch immer nicht abgezahlt. Frau und Töchterchen warten heute vergebens auf ihn und seinen Fang . Er steht auf den zum Schutz des Ufers hoch aufgetürmten riesigen Steinen und die Brecher werfen Schaum und Wasser auf ihn und manchmal auch darüber. Er schaut aufs Meer und auf die Wogen. Er weiß nicht nach was er ausschaut. Er sieht Holzstämme, Bretter, Plastikeimer, Kokosnüsse und die riesigen Wogen vor dem Wind. Da plötzlich, von der Spätmittagssonne kurz angestrahlt sieht er so eine Art Kasten. Kaum ein Drittel Meter groß aus Holz mit seltsamen , altmodisch anmutenden, verrosteten Eisenbeschlägen. Das Ding tanzt in den Wogen und wird von der seitlich in die Flußmündung gerichteten Strömung ganz gemächlich an ihm vorbei getrieben. Was das wohl ist ? Ob da wohl irgendetwas Wertvolles darin ist ? Die Wellen heben und senken es werfen es aber immer wieder zurück ins Meer. Fast ist das Kästchen schon nach rechts aus seinem Blick entschwunden als er sich entschließt. Das ist doch seine Chance ! Nie hatte er Glück. Aber das hier ist nur für ihn gedacht, für ihn geschickt von wem auch immer. Vielleicht gibts doch einen dort oben der auch den Armen manchmal etwas zuteilt. Das Kästchen war alt, das hatte er gleich gesehen, uralt. Ein Schatz ist da drinnen, Gold oder Edelsteine oder alte Münzen. Schnell legte er die wenigen Kleider ab und sprang in das tobende Meer. Das Wasser war warm hier am Äquator. So warm wie immer das ganze Jahr über. Weit tauchte er hinein. Fest drückte ihm die nächste Woge am Boden fest. Aber er war ein guter Schwimmer und nach ein paar kräftigen Schwimmstößen hatte er seine Beute. Tatsächlich, altes, schweres Holz hatte er in den Händen. Eisenbeschlagen mit Bronzescharnieren – nein es war kein Gold- aber es hatte ein seltsam altertümliches Schloß. Natürlich war dieses verschlossen. Also war auch etwas Wertvolles darin. An Land würde man weiter sehen. Er nahm das Kästchen in den linken Arm. Nur mit einem Arm zu schwimmen war nicht ganz einfach und die Wogen wurden größer und der Sturm nahm noch zu. Jetzt schnell wieder an Land ! Aber wie ? Gewaltig schlagen die Wellen, die Brecher auf die Steine und die Betonreste der früher einmal vorhandenen Schutzmauer. Bei Ebbe und schönem Wetter ist hier überall ein viele Meter breiter Sandstrand mit fröhlichen, badenden Menschen und mit Anglern ganz vorn an der sanften Brandung. Heute aber tobt hier der wilde Pazifik. Alles würde er zerbrechen, wenn er es zu fassen bekäme und auf die Felsen schleudern mit elementarer Wucht. Hoch hoben und senkten ihn die Wogen. Solange er nicht an die Steine anstieß war das hier draußen zwar anstrengend, aber für einen guten Schwimmer nicht direkt gefährlich. Aber irgendwann muß er doch wieder an Land. Er schwamm näher ans Ufer. Manchmal machten die wilden Wogen eine Pause. Er setzte den ersten Fuß auf einen Stein und wollte sich gerade aufrichten da hörte er von hinten das Donnern der nächsten Woge. Hoch aufgetürmt kam sie auf ihn zu. Mit einem kühnen Sprung tauchte er nach hinten weg direkt in die sich auftürmende und überschlagende See. Gerade noch rechtzeitig. Scharf schrammte sein linker Arm am Fels entlang gab aber das Kästchen nicht frei. Seinen Schatz, seine einzige Chance um aus seinem Leben etwas zu machen und seiner Tochter und später vielleicht auch dem noch gewünschten Sohn eine Zukunft zu geben. Er mußte seinen Schatz retten! Vielleicht hätte er es geschafft, ohne das Kästchen, auf allen Vieren schnell hochklettern solange die See zurückwich, sich am Fels anklammern und den Gewalten der Welle trotzen. Aber ohne das Kästchen wäre alles umsonst gewesen und sein Schatz verloren. Mit Anstrengung und mit einer Hand schwamm er jetzt wieder in gebührendem Abstand an den gefährlichen Felsen entlang. Irgendwo mußte doch eine seichte Stelle sein. Irgendwo die Gewalt der Wellen gebrochen, eine Leiter, ein Landungssteg oder ein Boot sein. Aber nur schroffe Felsen und die tobende See waren zu sehen. Hochauf spritzte der Schaum und donnernd warfen sich die Wassermassen auf das Gestein. Langsam verschwand die Sonne hinter einer grauen Wand am gezackten, weißgischtigen Horizont. Schnell wird es dunkel hier in der Mitte der Welt. Sein Arm schmerzte von der Schramme und die Anstrengung machte ihn träge. Dort drüben endlich in der Nähe der Flußmündung, sieht es dort nicht etwas ruhiger aus ? Weiter schwamm er in die beginnende Nacht, weiter und weiter.-
Am Morgen schien die Sonne auf den breiten Strand. Ruhig, fast ohne Wellen, ganz sanft unter einer lauen Brise schimmerte das Meer. Der Junge lag am Strand, bewegungslos. Noch immer umklammerte er das Kästchen. Ob er aus Erschöpfung gestorben und ertrunken war oder ob die See ihm das Rückgrat gebrochen hatte wurde nie festgestellt. Das Kästchen wurde geöffnet mit Hammer und Hebel. Der solide Eichendeckel sprang auf. Drinnen war sorgfältig in Leinen und Pech wasserdicht geschützt für Jahrhunderte ein großer Schatz der damaligen Zeit. Fast fünf Kilogramm reinsten, weißen Pfeffers.- Ein Antiquar gab der Witwe etwas Geld für das alte Kästchen. Das reichte gerade für die bescheidene Beerdigung. Der Pfeffer aber lag verstreut im Sand. Die nächste Flut nahm ihn mit.
Ecuador 8.9. bis 19.10.1999